Göttinger Lichtenberg-Poetikvorlesung
Mit einem Vorwort von Insa Wilke
Wallstein Verlag
Ulrike Draesner fasst sich ein Herz und reist in ihrer Göttinger Lichtenberg-Poetikvorlesung mit uns ins Innere von Körpern, Erfindungsprozessen, Muserichen und Höhlen. Was bedeutet es, schreibend die Grenzen unserer Denkgewohnheiten und Sprache(n) abzutasten? Wie entstehen historische Romane? Hilft es, ihre Räume selbst als Figuren zu begreifen? Und mit wie viel Räumen bekommt man es als Schriftstellerin zu tun (Sprachraum, Figurenraum, Bakterienraum, Teilchenraum, Vergangenheitsraum, Leseraum …)?
Die Autorin fasst sich noch ein Herz und geht (als Wir, als Er / Sie, als Shapeshifter) der hinterhältigsten aller Erzählinstanzen nach: dem Ich. Können wir es tatsächlich erweitern, jetzt, wo der Planet eine neue Transformationsstufe zu durchlaufen scheint? Wo Mitkreatürlichkeit und Perspektivenumkehr gefragt sind? Während Mehrsprachigkeit und maschinengenerierter Text das literarische Feld stärker verändern, als wir begreifen? Draesner entwickelt Figurationen literarischer Zeitgenossenschaft – und Gedanken zu Möglichkeiten der Autofiktion.
»Sich ein Herz fassen. Im Deutschen heißt dies, mutig zu sein – etwas zu wagen. Man überwindet sich, vielleicht wirft man das Herz auch über die Hürde. Das Deutsche hat Herz-issues: Mehrfach findet sich das Herz geworfen, genommen oder gefasst. Nehme ich mir etwas zu Herzen, bin ich betrübt – man kann die Beschwernis im Organ geradezu sehen. Mit der nun aufgeladenen Zusatzlast schlägt es schwer. Und wie es wohl ist, tatsächlich ein Herz zu berühren, allemal eines, das pocht? Dieser Sitz des Lebens, dieses allererste Organ des Menschen, das bereits am 22. Tag nach der Befruchtung zu schlagen begonnen hat.
Hiervon handeln diese Vorlesungen: von Berührung. Von Texten als gastlichen Räumen. Sie sind ein Essay, also eine Suche.«