Urs Engeler Editor, Basel 2006
Mit 74 Jahren, ein Jahr vor ihrem Tod, wird der Dichterin Hilda Doolittle eine große Ehre zuteil: als erste Frau wird sie von der American Academy of Arts and Letters ausgezeichnet. H.D., wie sie von Ezra Pound, dem Gefährten ihrer Jugend und Verehrer ihrer frühen Dichtung, genannt wurde, eine Kennerin der antiken Literatur und der Psychoanalyse durch Sitzungen mit Sigmund Freud, eine Pionierin in der Erkundung von männlichen und weiblichen Genderrollen und Teil der Londoner Boheme, fährt zur Preisverleihung – und begegnet dort der letzten Liebe ihres Lebens, einem dreissig Jahre jüngeren Mann. Die Gedichte von „Hermetic Definition“ legen von dieser Begegnung Zeugnis ab, sie setzen die Liebe als Zwiegespräch der Poesie in Gang. Die posthum veröffentlichte Gedichtsammlung steht wie keine zweite für H.D.s lebenslange Suche nach der Komplementarität von Literatur und Leben, Mythologie und Poesie, Lust und Liebe.
„In der Regel empfiehlt es sich, Gedichte in wohldosierten Mengen zu geniessen, doch wenn man «Heimliche Deutung» von Hilda Doolittle in die Hand nimmt – einen Band, dessen Ausstattung schlichte Eleganz mit einem gewissen Werkstattcharakter verbindet, wie es für die Bücher aus dem Verlag Urs Engeler auf sympathische Weise üblich ist –, dann möchte man den Leser diesmal ermuntern, alle 44 Gedichte möglichst in einem Atemzug zu lesen. So nämlich erschliesst sich am besten die Struktur der wiederkehrenden Sätze und Motive, die wie bei einer musikalischen Fuge ineinandergreifen. Die geschmeidige, einfallsreiche und fast durchweg sonore Übersetzung von Ulrike Draesner tut ein Übriges, diese Strukturen lebendig werden zu lassen.“